Hightech-Lager Geisenfeld: So denkt Kaufland seine Logistik neu 

In Geisenfeld befindet sich eines der modernsten Logistikzentren im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Roboter, autonome Shuttle-Fahrzeuge und vollautomatische Sortieranlagen packen jetzt einen Großteil der Ware. Für die Mitarbeiter wird der Arbeitsalltag dadurch einfacher und es entstehen neue Jobs und Aufgaben.

28. Oktober 2024 | Autor: Michael Strothoff | Lesedauer: 5 Minuten

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Mit dem neu in Betrieb genommenen Hochregallager lassen sich Kapazitäten vergrößern, ohne weitere Flächen zu verbrauchen. Foto: Kaufland
Ein Mitarbeiter im Lager wird interviewt.

Vor kurzem fuhr Atanas Simeonov noch mit einem Flur-Fördergeräte durch die Regalreihen des Logistiklagers in Geisenfeld und packte Dosen, Wein oder Waschmittel auf seine Palette. Heute hat er statt Kartons einen Laptop in der Hand und steht vor einem der größten vollautomatischen Hochregallager für Lebensmittel in Deutschland. Das verfügt über 30 Meter hohe Regale, in denen bis zu 30.000 Paletten gelagert werden können. Rund 15 Regalbediengeräte räumen hier Palette um Palette ein und wieder aus. Ein Gerät schafft bis zu 50 Stück in der Stunde.  

Damit alles läuft, überwacht Atanas Simeonov die Arbeitsprozesse digital. Dafür hat er ein Schulungsprogramm absolviert und sich vom Kommissionierer zum Anlagenbediener weiterentwickelt.

„Durch die Weiterbildung mache ich jetzt ganz neue Aufgaben, die ich viel interessanter finde. Durch die neue Technik und Automatisierung bieten sich für mich ganz neue berufliche Möglichkeiten. So kann ich mich perspektivisch noch zum Techniker weiterbilden lassen“, sagt Atanas Simeonov.  

Treiber und nicht Getriebene der Automatisierung sein

Dass in Geisenfeld ein Großteil der Ware heute schon per Roboter verpackt wird, liegt an den Bedingungen des Standortes. Während in den vergangenen Jahren die Anzahl der Artikel und die zu beliefernden Filialen am Standort stetig gewachsen sind, konnte die Logistikfläche vor Ort nicht einfach im gleichen Umfang erweitert werden. Zudem gestaltete sich die Suche nach Fachkräften zunehmend herausfordernder.

„Deswegen haben wir bewusst schon vor Jahren die Entscheidung getroffen, unseren Standort in Geisenfeld zu einem High-Tech-Lager umzubauen, in dem ein Großteil der Ware jetzt vollautomatisiert eingelagert und für die Filialen gepackt wird“, sagt Standortortleiter Alexander Noack.

Die Technologie und Robotik dafür, konnte dafür nicht einfach eingekauft werden, die musste  standortindividuell angepasst und teilweise sogar entwickelt werden. Entsprechend viel Zeit und Planung benötigte die Transformation.

„Insgesamt hat das Projekt hier sechs Jahre gedauert. Denn ein Logistiklager automatisiert man nicht mal eben so über Nacht,“ sagt Alexander Noack.  

Das „Lernlabor“ der Automatisierung

Ein LKWE steht vor dem Lager in Geisenfeld.

Wer verstehen will, wie eines der modernsten Logistiklager im deutschen Lebensmitteleinzelhandel funktioniert, startet am besten an der Pforte des Lagers.  

Hier rollen täglich bis zu 350 Lkw an, die rund 8.000 Paletten Ware anliefern. Je nach Inhalt werden die Paletten zu verschiedenen Lagerhallen gebracht - eine für Obst und Gemüse, eine andere für Milch- und Wurstprodukte. Das vollautomatische Hochregallager befindet sich im größten Lagerbereich in Geisenfeld – dem Food-Sortiment. Unter „Food“ versteht man in der Handelswelt Artikel wie Wein, Dosen und Drogerieprodukte. Die ankommenden Lkw steuern dann eine der 250 Verladerampen an und die Paletten werden aus dem Frachtraum geholt und in eine Fördereinrichtung gestellt. Ab jetzt geht es vollautomatisch weiter. Während die Technik die Paletten über eine Förderstraße bewegt, prüfen die Mitarbeiter die Ware. Ist die richtige Menge geliefert worden? Stimmt die Qualität? Hat sich etwas an der Verpackung geändert? Die Gretchenfrage bei der automatischen Kommissionierung von Lebensmitteln, da genau hier die größte Herausforderung liegt.  

 

Lebensmittelverpackungen erfahren häufig kleine Änderungen am Design oder der Größe. Alle diese Daten brauchen die automatischen Anlagen, um mit den Artikeln arbeiten zu können. Werden bei der Warenkontrolle daher Änderungen an einer Verpackung festgestellt, wird die Palette zur „Lernstation“ geschickt. Hier vermisst die Maschine die neue Verpackung, erfasst Größe und Form. Entweder werden die Daten neu in die Datenbank aufgenommen oder die bestehenden Daten aktualisiert.

„Unsere Stärke liegt in der Flexibilität. Verpackungen ändern sich ständig, und diese scheinbar kleinen Änderungen sind die größte Herausforderung für die automatische Kommissionierung“, erklärt Konrad Ott. „Durch die Lernstation sind wir in der Lage selbst kleinste Veränderungen der Verpackungen schnell und unkompliziert ins System einzupflegen“. 

Sobald die Qualitätskontrolle abgeschlossen ist, beginnt die systematische Einlagerung ins Hochregallager. Die gesamte Lagerung folgt dem Chaosprinzip - einer Methode, die sicherstellt, dass bei Störungen immer Alternativen verfügbar sind. Dabei berücksichtigt die Steuerungssoftware sowohl das Gewicht als auch die Höhe der einzelnen Fächer.  

Der nächste Schritt erfolgt dann nicht im Logistiklager, sondern in den rund 125 Kaufland-Filialen, die von Geisenfeld aus beliefert werden. Hier wird täglich Ware bestellt. Die Bestellprozesse in den Filialen laufen weitgehend automatisiert ab, basierend auf Abverkaufsdaten, aktuellem Filialbestand, verfügbarem Platz im Regal und Wetterprognose. Diese Bestellungen werden an das Logistikzentrum in Geisenfeld übermittelt und vernetzte Systeme beginnen die ideale Zusammenstellung der Ware zu planen. 

Autonome Transportfahrzeuge verfügen über modernste Sensoren, Kameras und Motortechnologien, die ihnen dabei helfen, sicher um Personen und Objekte herum zu navigieren. Foto: Kaufland
Speisesalz wird in Geisenfeld angeliefert.
Die automatische Kommissionier-Anlage (AKA) für Obst und Gemüse kann unterschiedliche Kombination aus verschiedenen Transportboxen verarbeiten. Foto: Kaufland

Von der Palette in den Behälter

Auf dieser Basis holen die Regalbediengeräte holen die benötigten Paletten aus den Regalen und bringen sie per Fahrstuhl zur Depallettierung. Hier übernimmt ein Roboter mit Sauggreifern das Entpacken der Kartons.

„Dabei erzeugt ein Roboter mit Sauggreifern ein kraftvolles Vakuum, um die einzelnen Kartons oder Umverpackungen anzuheben und auf eine Platte zu stellen. Von dort wird diese in einen lagerinternen Behälter, dem sogenannten Tray, geschoben. Per autonomen Mini-Shuttle geht es dann ins Behälterlager“, erklärt Konrad Ott.

Rund 70 Prozent der Paletten werden so automatisch entpackt, während die restlichen 30 Prozent per Mensch kommissioniert. Beispielsweise zerbrechliche Ware wie Glasflaschen oder wenn die Ware sehr sperrige Umverpackungen besitzt.  

Roboter-Arme: Präzises Packen für jede Filiale

Zwölf Roboter-Greifarme stellen filialindividuell Paletten zusammen. Foto: Kaufland

Im Behälterlager verweilen die Artikel dann, bis sie für die entsprechende Filialpalette benötigt werden. Die autonomen Shuttles holen die Behälter wieder ab und transportieren sie zu einem der zwölf Roboter-Greifarme. Diese packen die Paletten für die Filialen. Die Roboter berücksichtigen dabei die genaue Anordnung der Warenbereiche in jeder Filiale und packt die Paletten entsprechend so, dass die Mitarbeiter vor Ort die Ware sofort in der richtigen Reihenfolge verräumen können. Außerdem stellen sie sicher, dass schwere Produkte unten und leichtere oben auf der Palette platziert werden, um Schäden zu vermeiden. Bis zu 550 Kolli pro Stunde schafft ein Greifarmroboter. Die autonom und manuell gepackten Paletten werden vollautomatisch foliert, gestapelt und dann in der richtigen Reihenfolge über die autonomen Transportfahrzeuge an den Mitarbeiter übergeben und in Richtung Warenausgang zu den Übergabeflächen für den Lkw-Fahrer transportiert. Die Transportroboter verfügen über modernste Sensoren, Kameras und Motortechnologien, die ihnen dabei helfen, die optimale Route zu verfolgen und sicher um Personen und Objekte herum zu navigieren.

Doch nicht nur im Food setzt Geisenfeld auf Automatisierung. In der Obst- und Gemüse-Halle gegenüber ist bereits seit einigen Jahren eine automatische Kommissionier-Anlage im Einsatz.  

Ruckzuck verpackt für mehr Frische

Wo noch manuell kommissioniert wird, da geschieht das an modernen, ergonomischen Arbeitsplätzen mit höhenverstellbarer Arbeitsplattform und Ergo-Matte. Foto: Kaufland

Die Anlage schafft pro Tag bis zu 50.000 Kolli und kann unterschiedliche Kombination aus verschiedenen Transportboxen verarbeiten, z.B.: Kunststoffmehrwegboxen und Pappkartons.  Die Infos, welche Filiale wie viele Kisten Tomaten und Gurken braucht, zieht sich die Anlage automatisch direkt aus dem Warenwirtschaftssystem. Beispielsweise fünf Kisten Äpfel, zwei Kisten Avocados und sieben Kisten Kartoffeln, die dann zu einer Lieferung zusammengestellt werden. Die automatisierte Kommissionierung übernimmt alle schweren und sich wiederholenden Aufgaben und reduziert somit die körperliche Belastung enorm. Allein eine Kiste Kartoffeln kann bis zu 25 Kilogramm wiegen. Man kann sich also vorstellen, was ein Mitarbeiter bei manueller Kommissionierung pro Tag körperlich leisten musste.

Im Sinne der Mitarbeiter automatisiert

„Kein Mitarbeiter verliert hier seinen unbefristeten Job. Im Gegenteil. Wir haben einen Großteil der Mitarbeiter durch Schulungsprogramme weiterentwickelt. Viele die hier vorher Ware geschleppt haben, bedienen jetzt die automatischen Anlagen. Das haben alle als Chance gesehen, sich weiterzuentwickeln und neue Dinge zu machen. Entsprechend positiv stehen die Mitarbeiter der Automatisierung gegenüber.“ sagt Alexander Noack.

Womit wir wieder bei Atanas Simeonov. Er und seine Kollegen müssen jetzt nicht mehr Kisten mit bis 25 Kilogramm Gewicht stemmen. Dazu wird weniger Personal an den Wochenenden benötigt, sprich viele Mitarbeiter am Standort haben jetzt auch vermehrt am Wochenende frei oder müssen weniger Nachschichten absolvieren.  

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