„High Five!” – Interview mit Sabine Georgi

Interview mit Sabine Georgi

Logo: HIGH FIVE; Porträt: Sabine Georgi

Ein Thema, ein Experte, fünf Fragen und Antworten. Das ist „High Five!“. Für unser heutiges Gespräch konnten wir Sabine Georgi, Executive Director beim Urban Land Institute Germany, Austria, Switzerland gewinnen. Sie diskutiert, nicht zuletzt anhand des vor kurzem erschienenen Buches „Die Europäische Stadt nach Corona – Strategien für resiliente Städte und Immobilien“, wie eine neue Stadtentwicklung unter den neuen Rahmenbedingungen aussehen kann.

Das Interview führte Dr. Angelus Bernreuther, Leitung institutionelle Investoren und Immobilienwirtschaft bei Kaufland.

 

Angelus Bernreuther: Sie sind die neue Executive Directorin des Urban Land Institute ULI für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Wofür steht das ULI und wo sehen Sie Ihre zukünftigen inhaltlichen Schwerpunkte?

Sabine Georgi: Das Urban Land Institute ist eine globale Organisation im Schnittpunkt zwischen Stadtentwicklung und Immobilienwirtschaft mit weltweit circa 45.000 Mitgliedern, die sich sowohl global als auch auf lokaler Ebene einer Transformation der Städte und Kommunen in Richtung Resilienz verschrieben haben. Wir verstehen uns damit als Think Tank und Ideengeber, der gemeinsam mit der Branche und den Städten Lösungen für nachhaltigere Städte erarbeitet. Hier liegen auch gleichsam die zukünftigen Schwerpunkte, die Zusammenarbeit mit den Städten zu intensivieren sowie der Themenkreis Resilienz und Nachhaltigkeit der Städte.

 

Angelus Bernreuther: Das ULI hat kürzlich zusammen mit der IRE|BS Immobilienakademie die Studie „Europäische Städte nach Corona“ veröffentlicht. Was sind die wichtigsten Antworten auf die Kernfrage, welche Strategien unsere Städte und Immobilien resilient machen?

Sabine Georgi: Wir konnten zehn Kernbotschaften extrahieren. Dass wir Gebäude, Quartiere und Städte stärker durchmischen, wird uns ganz sicher helfen, denn nur so ist es möglich, kompaktere Strukturen zu schaffen und damit auch in den Städten die Weichen Richtung Mobilität zu stellen. Zudem kann über die Mehrfachnutzungen unserer Freiflächen und Plätze die soziale Interaktion gestärkt werden. Diese ist einer der wichtigsten Pluspunkte des Lebens in der Stadt und führt zu mehr Innovationen und Kreativität, das hat auch die Studie gezeigt. Wobei andere Funktionen, wie niedrigere Transaktionskosten durch die Digitalisierung, an Bedeutung verlieren werden. Darüber hinaus werden die Städte in die Höhe aber auch in der Breite wachsen. Bei letzterem sollte auf die notwendige Dichte geachtet werden, um verschiedene Nutzungen zu ermöglichen und zu verhindern, dass am Stadtrand eine Zersiedelung erfolgt.

 

Angelus Bernreuther: Das Gesicht insbesondere unserer Innenstädte wird sich wandeln. Wie können diese mit einem neuen Nutzungsmix zukunftsfest gemacht werden?

Sabine Georgi: Die Innenstadt wird weiterhin wichtige Zentralfunktionen beherbergen und muss neue Formen finden, um die soziale Interaktion zu fördern. Hierbei muss es uns gelingen, mehr Wohnmöglichkeiten sowie kulturelle Angebote in die Innenstädte zu bekommen.

 

Angelus Bernreuther: Flexible, standortangepasste Lösungen im Diskurs aller Akteure der Stadtentwicklung scheinen das Gebot der Stunde zu sein. Passt hier unser bestehender Genehmigungsrahmen noch in die Zeit?

Sabine Georgi: Bevor wir in die einzelnen Vorschriften einsteigen, steht die Schaffung eines gemeinsamen Mindsets im Vordergrund – wir brauchen Lösungen für eine diversifizierte Gesellschaft und einen Menschen bezogeneren Ansatz anstelle einer Funktionstrennung. Die Europäische Stadt ist hier eine Blaupause, wo um einen zentralen Platz, der auch die Kirche als Begegnungszentrum beherbergte, das Leben pulsierte. Solche Quartiere können wir heute gar nicht mehr errichten bzw. bräuchten die doppelte Fläche Land – deswegen sind höhere Dichten und eine Flexibilisierung bei den Nutzungen wichtig. In der Praxis verschwimmen die Grenzen zwischen den Nutzungen immer mehr – ein Bürohaus sieht im Erdgeschoss aus wie ein Hotel, ein Wohnhaus als Co-Living konzipiert beinhaltet auch Büroflächen etc.

 

Angelus Bernreuther: Der Handel hat immer eine prägende Rolle für unsere Städte aller Größenordnung gespielt. Welche Rolle wird er in Zukunft spielen, insbesondere mit Blick auf die neue Rolle der Nahversorgung?  

Sabine Georgi: Der Einzelhandel wird weiterhin eine große Rolle spielen, es wird neue Konzepte geben, bei denen off- und online Anteile immer mehr verschmelzen, es wird Showrooms und Konzepte geben, die durch ihre Zusammenstellung der Sortimente speziell sind und inspirieren. Und es wird den Einzelhandel als Nahversorger geben, der auch ob steigender Anteile von Lieferdiensten wie Gorilla oder Getir einen Pfeiler bilden wird. Und es gilt, in Richtung intelligenter und effizienter Platznutzung und Schaffung lebenswerter Quartiere, eine Nutzungsmischung zu erreichen.

 

Mehr Informationen zur Studie „Europäische Städte nach Corona – Strategien für resiliente Städte und Immobilien“ finden Sie hier.